Anna über ihre Bauchgeburt aus Beckenendlage

Hi! Ich bin Anna, 27 Jahre alt und wohne mit meinem Mann und unseren beiden Söhnen im schönen Westerwald. Mein ältester Sohn ist nun 3,5 Jahre alt und kam aufgrund von BEL per Kaiserschnitt zur Welt. Vor seinem dritten Lebensjahr hat er die Diagnose Autismus bekommen. Mein jüngster Sohn ist 18 Monate alt und auf ihn trifft so ziemlich jedes Merkmal eines High Need Babys zu.
Über unseren Alltag und einige weitere Themen berichte ich auf meinem Profil https://www.instagram.com/bunte_herbstkinder/
die beckenendlage meines sohnes wird einen guten grund haben.
Wie waren deine Gedanken während der Schwangerschaft zur bevorstehenden Geburt? Hast du dich besonders auf eure Geburt vorbereitet?
Ich habe mich ausgiebig mit dem Thema einer natürlichen Geburt beschäftigt und dazu viele Geburtserfahrungen und -berichte gelesen. Wir ließen nichts unversucht, probierten jeden Tipp aus, den wir finden konnten, damit sich unser Sohn doch noch in SL drehen würde. Doch auch heute noch habe ich die Worte meine Hebamme im Ohr, die mir erklärte, dass die Beckenendlage meines Sohnes einen guten Grund haben wird und man nicht gegen die Natur arbeiten sollte. Alles im Leben hat seinen Sinn. Und diese Worte haben mir in dem Moment geholfen mich damit anzufreunden, dass ein Kaiserschnitt der beste und sicherste Weg war meinen Sohn zur Welt zu bringen. Rückblickend betrachtet würde ich mich nicht mehr nur auf die Worte einer Person verlassen, mich mehr über mögliche Alternativen zur Wendung und vor allem auch zur spontanen Entbindung aus BEL informieren.
Wie verlief eure Geburt? Wie hast du den Kaiserschnitt empfunden, die Geburt an sich, die Atmosphäre, das Bonding?
Ich hatte bereits zwei Wochen vor der Entbindung nachts stärkere Wehen, welche ca. eine Woche vorher auch muttermundwirksam wurden. Eine Woche nachdem bei mir eine Öffnung des Muttermundes von zwei bis drei Zentimetern festgestellt wurde, bekam ich frühmorgens starke Wehen und mein Mann und ich machten uns auf den Weg ins Krankenhaus. Da ich dort bereits vorab vorstellig geworden war, war die Beckenendlage bekannt. Der Muttermund hatte sich bereits auf drei bis vier Zentimeter geöffnet und es galt keine Zeit zu verlieren, damit unser Sohn nicht weiter in den Geburtskanal rutschte.
Gegen 07.25 Uhr fanden bei mir die letzten Untersuchungen statt, es wurde Blut abgenommen und mein Mann meldete mich am Empfang an. Ich hatte kaum Zeit mich aus- und die Operationskleidung anzuziehen, als ich auch schon zur OP-Vorbereitung gebracht wurde. Während der ganzen Zeit war ich unendlich nervös, hatte große Angst vor dem Unbekannten, das unweigerlich folgen würde. Ich hatte zugleich Schüttelfrost und war schweißgebadet. Das wurde noch schlimmer, als ich im Operationssaal saß und die Anästhesistin dreimal ansetzen musste, da sie sehr große Schwierigkeiten hatte zwischen meinen engen Wirbeln durchzukommen, um mir die Spinalanästhesie zu legen. Meine größte Befürchtung war, dass ich doch eine Vollnarkose bekommen musste und die Geburt nicht miterleben konnte. Ich wurde beinahe panisch, als die Spinalanästhesie endlich gesetzt war, aber nur eine Körperhälfte taub wurde. Ich war mir sicher, dass bei der Anästhesie etwas schief gelaufen sein musste und ich noch etwas spüren würde, während ich aufgeschnitten wurde. Für diesen Fall hatte ich aber vorab einen Notfallplan mit meinem Mann besprochen, auch falls ich selbst nicht mehr in der Lage sein sollte zu sprechen.

mein mann wurde in den Operationssaal geholt, was mich sehr beruhigte.
Meine Sorgen waren unbegründet, innerhalb von Sekunden war mein Körper ab der Brust taub und mein Mann wurde in den Operationssaal geholt, was mich sehr beruhigte. Und noch bevor er richtig an meine Seite saß begann ein starkes Ruckeln an meinem Bauch, stärker als ich es mir hätte vorstellen können und da kam wieder Angst auf. Danach wurde mir fest in die Magengegend gedrückt, es fühlte sich plötzlich an, als würde Luft aus einem Luftballon entweichen und um 08.11 Uhr konnten wir den ersten Schrei unseres Sohnes hören. Da wusste ich, dass alles gut werden würde.
mein mann durfte die nabelschnur durchschneiden.
Der kleine Mann wurde in ein Handtuch gewickelt und mein Mann durfte die Nabelschnur durchschneiden. Danach wurde er mir kurz gebracht, dann mussten mein Mann und unser Sohn zur Untersuchung. Das spielte sich jedoch alles außerhalb des Operationssaals ab, weswegen ich davon leider nichts mitbekam und während ich zugenäht wurde, nur hoffen konnte, dass wirklich alles gut war. Danach verbrachte ich etwas über eine Stunde im Aufwachraum unter Wärmedecken und wartete darauf, dass ich wieder Gefühl in meinen Körper bekommen würde. Die Zeit kam mir unendlich lang vor. Eine Schwester empfahl mir, dass ich in der Zeit schlafen und Kraft tanken sollte, aber das war völlig undenkbar. Ich hatte gerade erst die Entbindung hinter mir, war am ganzen Körper am zittern und wartete sehnsüchtig darauf endlich unseren Sohn in die Arme schließen zu können.
Da die Geburt so wahnsinnig schnell vorüber war, hatten wir kaum Gelegenheit zu verstehen, was da innerhalb gerade mal einer Stunde seit Ankunft im Krankenhaus passiert war. Sowohl mein Mann als auch ich mussten die Geburt danach erst einmal verarbeiten. Wir hatten beide eine starke innere Unruhe, die sich erst am zweiten Tag zuhause und wiederholten gemeinsamen Gesprächen über das Erlebte gelegt hat.
Wir kamen nach der Geburt in ein Familienzimmer und die Krankenschwestern und Hebammen waren sehr froh darüber, dass mein Mann dabei war und sich sowohl um mich, als auch um unseren Sohn kümmern wollte und konnte. Da am 01.10.2017 in diesem Krankenhaus zehn Kinder zur Welt kamen, war das gesamte Personal ausgelastet. Recht schnell nach der Geburt setzten auch die Schmerzen ein – und die waren wirklich stark. Zur Linderung hatte ich Coolpacks und Schmerzmittel, welche für mich zu diesem Zeitpunkt jedoch sehr gering dosiert waren, da ich vor der Schwangerschaft stark unter Migräne gelitten hatte und dadurch bei schlimmen Migräneanfällen an starke Schmerzmittel gewöhnt war.
nach meinem “scheitern” ging es mir noch schlechter als vorher
Am Abend kam eine Schwester und ich sollte aufstehen und den Blasenkatheter gezogen bekommen. Ich litt unter starken Schmerzen in der Kaiserschnittnarbe, aber die Schwester hatte weder Mitgefühl noch Zeit, also riss sie mich halb zur Seite, um mich dann in eine sitzende Position zu drehen. Die Chance es selbst zu versuchen oder den Schmerz zu veratmen, bekam ich nicht.
Da ich den gesamten Tag gelegen und nicht sonderlich viel gegessen hatte, musste ich einen Moment mit meinem Kreislauf kämpfen. Aber auch die Zeit wurde mir nicht gelassen. Die Schwester meinte, dass ich dann wohl noch nicht soweit wäre, kippte mich wieder ins Bett und lies mich allein. Ich durfte also nicht aufstehen und bekam den Katheter auch nicht gezogen.
Nach meinem „Scheitern“ ging es mir noch schlechter als vorher – physisch und psychisch. Andere bzw. stärkere Schmerzmittel konnte ich nicht bekommen, mir wurden als weiterer Schritt Betäubungsmittel gebracht, die auch meine Stimmung aufhellen sollten, bei denen ich mich aber weigerte diese zu nehmen. Während der Nacht übte ich mit Hilfe meines Mannes immer wieder mich hinzusetzen mit dem Ziel vor Augen am nächsten Tag aufstehen zu können. Und es gelang mir am nächsten Morgen mit Hilfe einer emphatischen Hebamme aufzustehen und den Katheter gezogen zu bekommen.
Ab dann ging es bergauf. Bereits einen Tag früher als erwartet, konnte ich duschen und ebenfalls einen Tag eher entlassen werden.
ich hätte mich gern ab der ersten minute um ihn kümmern können.
Mein Mann kümmerte sich in dieser Zeit vollständig allein um unseren Sohn. Ich war durch die Schmerzen nicht dazu in der Lage und da unser Sohn mit knapp unter 3.000 Gramm geboren wurde, kam er in ein Wärmebett, welches ich weder öffnen noch bewegen konnte.
Wenn er ihn gewickelt hat, habe ich versucht mich im Bett so gut es geht zu drehen, damit ich zuschauen konnte. Auch bei den nächtlichen Untersuchungen konnte ich nicht anwesend sein und habe im Bett auf die Rückkehr meiner beiden Männer warten müssen. Erst zuhause hatte ich die Möglichkeit in aller Ruhe und mit zwischenzeitlichen Pausen aufgrund meiner lang anhaltenden Kreislaufprobleme unseren Sohn zu wickeln, anzukleiden und zu halten. Darüber bin ich heute noch sehr traurig. Ich hätte mich gerne ab der ersten Minute um ihn kümmern können. In den ersten Tagen zuhause übernahm mein Mann alle Aufgaben, da er sich nach der Geburt zwei Wochen frei genommen hatte. Da die Schmerzen weiterhin stark waren, versorgte er unseren Sohn weiterhin größtenteils im Alleingang. Gleichzeitig pflegte er mich, half mir in und aus der Dusche und bei vielen Kleinigkeiten, zu denen ich nicht fähig war. Ich bin ihm unglaublich dankbar für alles und kann das gar nicht oft genug sagen. Ohne ihn wäre ich völlig aufgeschmissen gewesen. Er hat das großartig gemeistert!

Wir haben es geschafft und ich stillte ihn seit seiner dritten Lebenswoche voll.
Um alles verlorene wieder aufzuholen, habe ich die ersten zwei Wochen fast ausschließlich auf dem Sofa liegend mit unserem Sohn auf der Brust verbracht. Ich war sehr traurig, dass er nicht mehr in meinem Bauch war, die Geburt so schnell vorüber ging und ich mich nicht so um ihn kümmern konnte, wie ich es mir wünschte.
In der Zeit habe ich mir viel Nähe zu unserem Sohn gewünscht und meine im Krankenhaus getroffene Entscheidung die Abstilltablette zu nehmen, sehr bereut. Trotzdem wusste ich, dass es mir im Krankenhaus aufgrund der Schmerzen kaum möglich gewesen wäre unseren Sohn anzulegen und für mich in diesem Moment die Möglichkeit ihm die Flasche zu geben die bessere Lösung war.
Ich habe mir dann Hilfe bei meiner Hebamme gesucht und angefangen unseren Sohn zwischen den Mahlzeiten und vor dem Fläschchen anzulegen. Wir haben es geschafft und ich stillte ihn seit seiner dritten Lebenswoche voll.
Ein weiterer Kaiserschnitt war für mich ausgeschlossen
Welche Gedanken hast du ganz aktuell ?
Die Geburt liegt mittlerweile 3,5 Jahre zurück und ich hatte das Glück in der Zwischenzeit eine selbstbestimmte Spontangeburt aus SL erleben zu dürfen – obwohl unser zweiter Sohn während der Schwangerschaft sämtliche Positionen in meinem Bauch eingenommen hat. Ich hatte mich nur beim zweiten Mal viel mehr informiert und mit Hilfe von Akupunktur und Osteopathie in einer Praxis der Traditionell Chinesischen Medizin meinen Sohn zur Drehung bewegt.
Ein weiterer Kaiserschnitt war für mich ausgeschlossen, ich war mit meinem Mann sogar in einer etwas über eine Stunde entfernten Spezialklinik für eine Spontangeburt aus BEL angemeldet.
Durch die zweite Geburt, die so fix war, dass wir das Gespräch auf der gesamten Wöchnerinnenstation waren, konnte ich mich mit der ersten Geburt aussöhnen. Ich konnte mein Kind ab der ersten Minute kuscheln, war bei allen Untersuchungen dabei und habe ihn vollständig alleine versorgt (mein Mann war bei unserem Erstgeborenen).
Denkst du ein Kaiserschnitt wird in der Gesellschaft oder gerade unter Eltern als „richtige“ Geburt gesehen? Hast du Erfahrungen gesammelt mit der Meinung anderer Eltern?
Zum Thema Kaiserschnitt habe ich viele unterschiedliche Erfahrungen machen können. Für die einen ist es keine „richtige“ Geburt – und so ging es mir auch selbst lange. Erst mit der zweiten Geburt habe ich mich als „richtige Frau“ gefühlt. Andererseits gibt es einige, die freiwillig einen Kaiserschnitt wollen, da sie nicht verstehen können, warum sich jemand überhaupt den Schmerzen einer normalen Geburt unterzieht.
Möchtest du anderen werdenden Eltern noch etwas mit auf ihre Reise geben?
Ich wünsche allen werdenden Eltern, dass sie ihre Geburt annehmen können, dass sie nach Möglichkeit so schön wird, wie erhofft – denn auch ein Kaiserschnitt kann eine schöne Erfahrung werden. Es gibt eben auch nach Kaiserschnitt wundervolle Bonding-Lösungen.
Ganz wichtig finde ich noch zu sagen, dass man über die Geburtserfahrungen sprechen sollte, insbesondere auch, wenn sie eben nicht so waren wie erhofft. In meiner zweiten Schwangerschaft habe ich ein Gespräch mit meiner Hebamme gesucht, bei dem ich viele Tränen vergossen, aber auch viele Dinge annehmen konnte.